Was ist eigentlich Kritik?
Kritik kommt aus dem Griechischen "kritikḗ", was die Kunst des Beurteilens oder Unterscheidens bezeichnet oder "krínein", was so viel wie beurteilen, unterscheiden oder trennen bedeutet. Für die soziologische Forschung ist Kritik ein wichtiger Bestandteil von gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen. Obwohl es auf den ersten Blick vielleicht so aussehen kann als wäre Kritik ein Zeichen dafür, dass die Dinge nicht oder nur schlecht funktionieren, so ist sie trotzdem wichtig. Der Begriff „Kritik“ kann dabei ganz unterschiedlich verstanden und mit Blick auf ganz verschiedene Aspekte untersucht werden. Zum Beispiel mit Blick auf Macht und Hierarchien. Hier kann Kritik dazu beitragen, auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen und Wandel herbeizuführen. Kritik spielt auch eine Rolle dabei, wie wir über gesellschaftliche Werte und Normen nachdenken und dafür, dass sie sich manchmal auch verändern können. Kritik, also die Beurteilung und Bewertung von Sachverhalten, Handlungen etc. ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Zusammenlebens.
Wenn eine Pandemie die Welt zum Stillstand bringt, ist vieles anders als vorher. Vor allem eine Sache war für viele Menschen hier eine neue Erfahrung: Einen Staat zu erleben, der massiv in die Rechte seiner Bürger:innen eingreift mit dem Argument, das Gesundheitssystem und andere Eckpfeiler aufrecht zu erhalten. Ein Staat also, der plötzlich entscheidet, wer sich im Privaten mit wem treffen oder wie lange eine volljährige Person abends ausgehen darf. Einige dieser Maßnahmen sind bis heute umstritten und immer noch wird diese Zeit des Ausnahmezustands an verschiedenen Stellen aufgearbeitet. Allerdings sind politische Maßnahmen auch im Ausnahmezustand keine Einbahnstraße: Sie werden bereits dann, wenn sie umgesetzt werden, diskutiert und ausgewertet, können mitgetragen oder abgelehnt und eben auch kritisiert werden. Zugleich ist es aber auch schwierig, Maßnahmen zu kritisieren, die Leib und Leben schützen sollen. So ließ sich im Zuge der Pandemie eine Tendenz beobachten, jede Form der Kritik als irrational, unverantwortlich, unsolidarisch, verschwörungstheoretisch – kurzum: als sozial unerwünscht zu kennzeichnen. Um besser zu verstehen, wie Kritik vor dem Hintergrund eines biomedizinischen Notfalls funktioniert und inwiefern es hier auch verschiedene Grauzonen zwischen Konformität und Staatsferne gibt, wollen wir uns den Begriff der „Kritik“ genauer ansehen. Die Frage nach den Bedingungen und Möglichkeiten, um Kritik zu üben, stellt sich vor allem dann, wenn die aktuellen Gegebenheiten kritisch analysiert werden. Sie passiert also da, wo es Handlungsspielräume gibt, wo vorstellbar ist, dass etwas anders sein oder ablaufen könnte. Denn nur, wenn nicht nur so, sondern auch anders gehandelt werden kann, können Handlungen als falsch oder unangemessen eingeschätzt und Menschen für ihre Entscheidungen und Handlungen kritisiert werden. Je mehr gesellschaftliche Verhältnisse so dargestellt werden, als gäbe es keine Alternative, desto mehr scheinen auch die Möglichkeiten zu verschwinden, Kritik zu üben. Deshalb sagt zum Beispiel der Philosoph Richard Rorty, die beste Möglichkeit, Kritik zu üben sei, eine Alternative vorzuschlagen, statt einfach nur das Bestehende zu kritisieren. Diese Idee von Kritik legt das Augenmerk auf die Zukunft und den Übergang zu etwas Anderem, ggf. Besserem.
Kritik äußert sich aber nicht nur in großen, organisierten Protesten und bedeutete nicht grundsätzlich, dass Menschen nicht in der Lage waren, die neuen Regeln, die ihnen für den Alltag auferlegt wurden, zu verstehen. Vielmehr hatte Kritik an den politischen Maßnahmen im Zuge der Pandemie viele Gesichter, zeigte sich in kleinen Aktionen und Gesten, die wir uns jetzt noch einmal genauer ansehen wollen.
Kritik in Stadt Null
*coming soon*
Quellen
Jaeggi/Wesche (Hrsg.) (2021): Was ist Kritik? Suhrkamp: Berlin.