Tiere in der Stadt

Während der Pandemie, als viele Menschen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden, wurde die Bedeutung von urbanen Grünflächen deutlicher als je zuvor. Flächen also, die Stadtmenschen sich nicht nur mit Bäumen und anderen Pflanzen, sondern auch mit einer ganzen Reihe von Tierarten teilen.

Das Verhältnis von Tieren und Menschen in der Stadt wurde immer wieder in unterschiedlicher Weise zum Thema: Zum einen handelte es sich bei COVID-19 um eine Zoonose, also eine Infektionskrankheit, die sich auch von Tieren auf den Menschen übertragen kann bzw. übertragen hat. Tierschützer:innen sahen mit Sorge, dass verschiedene Tierarten (oftmals auch entgegen wissenschaftliche Evidenz) als potenzielle Überträger:innen des Virus gehandelt wurden (zum Beispiel Tauben oder Ratten). Zum anderen zeigten Menschen zunehmend das Bedürfnis, in die Natur zu gehen. Die Einschränkungen, die wir als Menschen während der Lockdowns erlebt haben, haben sich auch auf die Tierwelt ausgewirkt: Zum einen, so zeigt eine Studie von Marlee Tucker und Kolleg:innen gab es Wildtiere, die sich unterschiedliche Räume „zurückerobert“ haben und auf menschenleeren Straßen gesichtet wurden. Zum anderen aber, gab es auch Tiere, die es gewohnt waren, zum Beispiel in Parks, von Menschen gefüttert zu werden und auf ihrer Suche nach Futter in anderen Gegenden gelandet sind als sonst. Die Studie zeigt, wie sehr menschliches Verhalten und tierische Populationen miteinander verbunden sind und dass es durchaus möglich ist, diese auch positiv zu beeinflussen. Unterschiedliche Tierarten werden dabei nicht immer gleich bewertet oder behandelt: Dass unser Verhältnis zu Stadtvögeln sowohl komplex als auch widersprüchlich sein kann, zeigt uns auch Colin Jerolmack in „The Global Pigeon“. Wenn er vom „sozialen Erleben von Tieren“ spricht, meint er, dass Tiere eben nicht nur passive Objekte menschlicher Wahrnehmung sind, sondern, dass ihre Interaktionen mit Menschen und ihre Präsenz in sozialen Räumen bedeutende soziale und kulturelle Dimensionen haben. Die Praktiken, die dabei entstehen reichen von Ablehnung und Gewalt gegenüber Tieren oder Versuchen der Populationskontrolle hin zu Fütterungen (zum Teil auch zum Schaden der Tiere). Der Umgang mit Tieren wie Tauben, streunenden Hunden, Ratten oder Enten kann für politische Konflikte sorgen, aber auch gegenwärtige soziale Dynamiken spiegeln. Das zeigt sich auch bei unseren Enten.


Die Enten von Stadt Null

Die -> Szene am Ententeich in "Frühling in Stadt Null" illustriert die Spannungen und Herausforderungen, die in Zeiten von Pandemien auftreten können, insbesondere in Bezug auf unsere Beziehungen zu Tieren und natürlichen Räumen. In „normalen“ Zeiten dient der Teich als Treffpunkt für Menschen, um in Kontakt mit der Natur und den Tieren zu treten, die in und um ihn herum leben. Diese Verbindung bietet nicht nur Erholung und Freude, sondern zum Beispiel auch die Möglichkeit, die ökologische Bedeutung und den Wert anderer Lebewesen zu erkennen und zu schätzen und dieses Wissen an Kinder weiterzugeben. Der Ententeich ist zudem nicht nur Teil des städtischen Ökosystems, sondern hat (aus Sicht der Eltern) vielmehr auch eine wichtige Entlastungsfunktion und strukturiert das räumliche Erleben der Stadtbewohner:innen. Die Enten und ihr Zuhause haben also auch eine Auswirkung darauf, wie unsere Stadtbewohner:innen ihr eigenes Zuhause, ihre Umgebung und ihre Lebensqualität wahrnehmen. Sie sind, so könnte man sagen, damit durchaus auch wichtige Bewohner:innen der Stadt bzw. des Stadtrands.

Die Maßnahme, den Besuch des Ententeichs zu verbieten, stößt bei Christina vor allem deshalb auf Kritik, weil sie nicht auf infektiologischen Überlegungen zu basieren scheint, handelt es sich doch um einen Freiluft-Ort, an dem mit einem genügenden Abstand zu Anderen die Ansteckungsgefahr sehr gering sein sollte. Für Christina ist der Schaden also größer als der Nutzen und die strenge Grenzlinie, die den Ententeich von ihrem Haus trennt kann sie deshalb nur schwer als Teil einer organisatorischen Schutzmaßnahme annehmen.

Quellen



Jerolmack, C. (2013). The Global Pigeon. University of Chicago Press.

Tucker, Marlee A. et al. (2023). Behavioral responses of terrestrial mammals to COVID-19 lockdowns.Science380,1059-1064 .DOI:10.1126/science.abo6499.

O.A. (2023): Wilde Tiere bewegten sich während der Corona-Lockdowns mehr. Der Spiegel: https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/corona-pandemie-weltweit-wilde-tiere-bewegten-sich-waehrend-der-lockdowns-mehr-a-6d399914-4929-40ff-9ed0-d5b98d1e067f.